chemische Industrie

chemische Industrie
che|mi|sche In|dus|t|rie: Industriezweig, dessen Betriebe sich mit der Herst. von anorg. u. org. Basis- u. Feinchemikalien u./od. von chem. Erzeugnissen wie Kunststoffen, Chemiefasern, Düngemitteln, Mineralölprodukten, Farbstoffen, Arzneimitteln, Kosmetika, Waschmitteln usw. befassen.

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chemische Industrie
 
[ç-], im weiteren Sinn diejenigen Industrien, die sich ausschließlich oder vorwiegend mit der Umwandlung von natürlichen und mit der Herstellung von synthetischen Rohstoffen befassen. Abgrenzung und Einteilung sind schwierig und nicht einheitlich. Die amtliche Statistik in Deutschland rechnet die chemische Industrie als Zweig des Grundstoff- und Produktionsgütergewerbes dem verarbeitenden Gewerbe zu.
 
Die chemische Industrie zeichnet sich durch eine sehr differenzierte Produktpalette aus. Sie ist sowohl Grundstoff- als auch Zwischenprodukt- und Fertigwarenhersteller. Ihre Produkte werden eingeteilt in anorganische (z. B. Chlor, Schwefelsäure, Salzsäure) und organische Industriechemikalien (z. B. Äthylen, Propylen, Äthanol) einerseits und andererseits in chemische Spezialerzeugnisse zur Be- und Weiterverarbeitung (z. B. Düngemittel, Kunststoffe, Chemiefasern) oder für den Konsum. Im Unterschied zu anderen Industrien verwendet die chemische Industrie neben der Durchführung chemischer Reaktionen auch zahlreiche physikalische Grundverfahren (»unit operations«), z. B. Zerkleinern, Klassieren, Mischen, Verdampfen, Destillieren. Kennzeichnend für die chemische Industrie ist die gekoppelte Produktion, d. h., Endprodukte fallen als Hauptprodukte, Nebenprodukte oder Rückstände beziehungsweise Abfallstoffe an. (chemische Technologie)
 
Die rationelle Ausnutzung der Rohstoffe erfordert ein breit gestreutes Produktionsprogramm, um auch alle Nebenprodukte verwerten zu können. Diese Tatsache führte zum Aufbau großer Werke, zu einer umfangreichen Verbundwirtschaft zwischen sehr verschiedenartigen Produktionsgebieten (z. B. Wasserstoff aus Kokereigas für Kohlehydrierung und Ammoniaksynthese, Kohlenwasserstoffabgase des Erdölcrackens für Kunststoffe und Synthesekautschuk). Fließfertigung und die notwendige kontinuierliche Prozessführung bewirken, dass die Elastizität der Anlagen der chemischen Industrie begrenzt ist. Die Automatisierung durch Prozessrechnersteuerung ist weit fortgeschritten. Forschung und Entwicklung sind wesentliche Faktoren dafür, dass die chemische Industrie in allen Staaten eine Wachstumsbranche darstellt. Dies findet seinen Ausdruck auch darin, dass von der chemischen Industrie jährlich schätzungsweise 160 neue Stoffe entwickelt werden, die einer Prüfpflicht im Sinne des Chemikaliengesetzes unterliegen. Charakteristisch ist für die chemische Industrie, dass sie einen sehr hohen Bedarf an fossilen Energieträgern hat, zum einen als Ausgangsstoff, zum anderen als Energiequelle (rd. ein Viertel des Energieverbrauchs der gesamten Industrie entfällt auf die chemische Industrie). Während bis Ende der 1950er-Jahre v. a. Kohle verwendet wurde, ist es heute insbesondere Erdöl (Ausgangsstoff für rd. 80 % der Chemieprodukte). Anorganische Rohstoffe sind Rohphosphat, Pyrit, Schwefel, Kalisalz, Steinsalz, Kalkstein.
 
Durch die in den letzten Jahrzehnten bekannt gewordenen oder gemeldeten Chemieunfälle (z. B. Seveso 1976, Bhopal 1984) geriet die chemische Industrie zeitweilig in das Kreuzfeuer der öffentlichen Diskussion, da durch die unkontrollierte Freisetzung von Stoffen Mensch und Umwelt gefährdet wurden.
 
Die Entstehung der chemischen Industrie wurde 1791 eingeleitet mit der Fabrikation von künstlicher Soda durch N. Leblanc für die aufblühende Baumwollindustrie. Die Lehre von J. von Liebig zur Pflanzendüngung bildete den Ausgangspunkt für den Aufbau der Produktion künstlicher Düngemittel. Zum Vorbild der modernen chemischen Industrie, die die billigen Massenprodukte der Natur (Kautschuk, Textilfasern, Fette u. a.) synthetisch herstellt, wurde die katalytische Hochdrucksynthese des Ammoniaks. Grundlage der Entwicklung der chemischen Industrie bildet die von den Hochschulen ausgehende und die in den Laboratorien der großen Unternehmen geleistete Forschungsarbeit.
 
Den größten Aufschwung hatte die chemische Industrie in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, wobei die deutsche chemische Industrie daran wesentlichen Anteil hatte. Um die Jahrhundertwende hatte Deutschland eine weltweit führende chemische Industrie, die z. B. 80-90 % der Weltproduktion an synthetischen Farbstoffen lieferte. Die heute anhaltende Unternehmenskonzentration in der chemischen Industrie war auch vor und während der Weimarer Republik zu beobachten, wobei die Fusion zur I. G. Farbenindustrie AG 1925 einen wichtigen Abschnitt markiert.
 
Die deutsche chemische Industrie war 1999 in der EU mit nahezu 23 % an den Chemieumsätzen beteiligt und stellt fast jeden dritten Chemiearbeitsplatz innerhalb der EU. Ihr Anteil an den dortigen Sachinvestitionen betrug rd. 29 %. Im Exportgeschäft besitzt Deutschland einen Weltmarktanteil von knapp 16 % und liegt damit unmittelbar hinter den USA auf Rang zwei. Hauptabnehmerregionen deutscher Chemieexporte sind die EU (53 %), Nordamerika (13 %) und Asien (12 %).Heute stellt die chemische Industrie eine der am weitesten globalisierten Branchen dar.
 
Der Verband der Chemischen Industrie e. V. (VCI) - gegründet 1877 in Frankfurt am Main als Verein zur Wahrung der Interessen der Chemischen Industrie Deutschlands e. V.; Sitz: Berlin. Neugründung 1950; Sitz: Frankfurt am Main - vertritt die wirtschaftspolitischen Interessen für 1 400 deutsche Chemieunternehmen und deutsche Tochterunternehmen ausländischer Konzerne.

Universal-Lexikon. 2012.

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